LVZ, 2. Mai 2006
Suchender Bubi
Studiobühne inszeniert Hasenclevers “Der Sohn”
Es ist diese zaghafte Berührung, die nicht in den klobigen Konflikt passen will. Die allseits besorgte Gouvernante (Kerstin Lange) zuckt zusammen, erschrickt vor der Wärme des Sohnes. Sein Vater senkt den Kopf, schaut nicht zu. Der Vater (hervorragend: Dietmar Voigt), ein adrett gekleideter Mann, der zu grauem Anzug Hut und Fliege trägt, ist dem Wilhelminismus verpflichtet, seinen Sohn (Rüdiger Hauffe) will er schuften sehen. Der aber hat die Examensprüfung vergeigt und nun soll er eine Frau lieben? Eine Schande, eine Schmach. Vater versus Sohn - das ist ein Konflikt, der spätestens seit Freuds Ödipus aufgegriffen und aufgeführt wird. Am Samstag hatte im Lofft Hasenclevers “Der Sohn” Premiere, eine Inszenierung von Studiobühne und Vorbeitreibende Opfer.
In dem expressionistischen Stück bleiben dem schwachen Sprössling nur Schweiß, Tränen und der Drang auszubrechen, sich auszutoben. Der Freund (eindrucksvoll: Marco Runge), ein langhaariger Hippie, verführt zur Rebellion: Der Sohn flieht aus der Wirklichkeit, wandelt sich vom Bubi zum selbstbewussten, freien Mann, der die Wirklichkeit bejaht. Er stürmt nach draußen, wo Madame ihn entjungfert und Frau zum Symbol der Selbstbestimmung wird.
Hasenclevers “Der Sohn” sorgte bei der Uraufführung 1916 in Prag für reichlich Furore, denn das Stück ruft die junge Generation zur radikalen Veränderung auf. Auch 90 Jahre später, wirkt das authentisch, vielleicht gerade weil nicht der Versuch gemacht wird, den Generationenkonflikt neu und modern aufzubereiten. Die Reclamheftchen, die der Sohn zum Trotz um sich schmeißt, sind alt und zerfleddert, nicht aber die Figuren und auch nicht die Emotionen, wenn der Sohn rebelliert und, zum Vatermord angestiftet, den Revolver zückt. Doch die Bewegung rattert, stoppt, will, aber darf nicht weiter, denn der Vater schaut nicht mehr zu, hält den Kopf bereits gesenkt. Das Drama endet tödlich, auch ohne den finalen Schuss. Klobig? Klotzig? Vielleicht kalt, aber aufgelöst.
Sonja Hartwig
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