Samstag, 8. Oktober 2022

 TRISTAN und ISOLDE



800 Jahre unter dem Zauber des Liebestranks. 

Als alle Konventionen sprengendes Liebespaar haben sie nur noch sich und ihre Geschichte. Die erzählen sie sich immer wieder. Lieben sich, hassen sich und gehen aneinander zugrunde. Klingt zum Verzweifeln? Ist es nicht, denn der nächste Morgen kommt bestimmt.

Regie: Jan Baake

Dramaturgie: Sebastian Schulze Jolles

Schauspiel: Sophie Lüpfert und Frank Siebers

Musik: Tobias Herzz Hallbauer

Produktion: Jeannine Wanek 

 

hier gibts den TRAILER (Dank an Hechtfilm)





Donnerstag, 29. Oktober 2020

 DER TRINKER nach Hans Fallada

 

„Die Tradition der Kunst ist die Tradition des Rausches und jeder Versuch
von Gesellschaften, den Rausch zu unterdrücken, führt nur dazu, dass diese Energien viel
monströser aus irgendeinem nicht bewältigten Gully hervorschießen.“ ( Heiner Müller )

1944 schrieb sich Hans Fallada während eines Zwangsaufenthalts in einer Landesirrenanstalt seine persönliche Suchtgeschichte von der Seele. In nur sechzehn Tagen entwarf er das authentische und erschütternde Psychogramm eines Alkoholkranken. In seinem Roman „Der Trinker“ gerät der Kaufmann Erwin Sommer in finanzielle Schwierigkeiten. Sein wohlgeordnetes, kleinbürgerliches Leben verrutscht und er entdeckt die verführerische Wirkung des Alkohols. Zwischen den Zeilen seines Manuskriptes schrieb Fallada in „fliegenkleiner Geheimschrift“ seinen ganzen Hass gegen die Nazis nieder. Das Schreiben wurde zu einem Ventil, einem lebensgefährlichen.

Jeder von uns kennt den Kampf mit der Angst. Wir halten sie unten mit dem täglichen Funktionieren im Alltag, dem Erfüllen von Gesellschaftsnormen. Eine Spinnwebe an der Wand allerdings reicht aus und der Blick in den Abgrund wird frei. Vielleicht liegt hier ein Zusammenhang zwischen Weltangst und dem sich so leicht ausbreitenden rechtsradikalen Gedankengut – der Flucht des „Kleinen Mannes“ in Ideologie… Es ist so menschlich und deshalb so gefährlich.

Heiner Müller formulierte sinngemäß: „Ideologie nimmt dir eine Last ab, die du selber zutragen hast.“ : Da kommen ein Buddhist, ein Hitler, ein Alkohol daher – und “retten“ dich…

Regie: Ute Raab 
Schauspiel: Jan Baake
Musik: Tobias Herzz Hallbauer

Premiere am 11.09.2020 im Zentralwerk Dresden

hier gibts den TRAILER (Dank an Hechtfilm)

 



 

 

 



Mittwoch, 10. Juli 2019

Dienstag, 15. April 2014

Theater des täglichen Bedarfs

TROMMELN IN DER NACHT



Premiere am 28.03.2014 im Neuen Schauspiel Leipzig.

facebook.com/TheaterBedarf








Dienstag, 11. Juni 2013

Bekannt auf dem Weltmarkt - ein dokumentarische Spurensuche


Auf der Suche nach den Spuren, die die Entwicklung der Textilindustrie in der Stadt Plauen und ihrer Umgebung, dem Vogtland, hinterlassen hat, ensteht ein Porträt der Stadt Plauen und ihrer Einwohner. Eine liebenswürdige und skurrile Momentaufnahme der ehemals reichsten Stadt Deutschlands.
Ein Dokumentarfilm. 






Kamera, Schnitt und Regie: Elmar Szücs
Idee, Recherche, Produktion und Regie: Jan Baake


Premiere: 01.05.2013 im Theater Plauen










Mittwoch, 30. November 2011

KALIF STORCH

Märchen warnt vor der Gefahr des Lachens
"Kalif Storch" feiert in Plauen Premiere als Stück für den Advent





Das ist nicht nur im Leben so, auch im Märchen "Kalif Storch" von Wilhelm Hauff gilt: Wer an der falschen Stelle lacht, muss Kröten schlucken. Jan Baake hat das Kunstmärchen um einen jungen Kalifen von Bagdad jetzt für das Theater Plauen-Zwickau als fröhliches Spiel um Schein und Sein inszeniert. Eingeflossen ist eine Fassung des vogtländischen Theaterdichters Christian Martin. Die Premiere am Sonntag im Vogtland-Theater Plauen kam bei dem erfrischend jungem Publikum sehr gut an.




Mit Klamauk, schwungvoller Musik von Falk Zenker, Gesang sowie in morgenländischem Kolorit, für das Bühnenbildnerin Margret Weise gesorgt hatte, war ein kurzweiliges Schauspiel gelungen. Die jüngsten Zuschauer empfanden die Geschichte um den Kalifen, der sich per Zauberpulver in einen Storch verwandelt hatte, als ungemein fesselnd. Sie wollten gern helfen: "Mutabor, Mutabor", das erlösende Zauberwort - was im Lateinischen "ich werde verwandelt werden" bedeutet - tönte schon lange vorm Finale vom Parkett hoch zur Bühne. Jedoch vergeblich. Der Kalif hatte gelacht, das mächtige Wort vergessen und musste ein Storch bleiben, was Daniel Koch in der dankbaren Rolle mit Lust zu körperbetontem Spiel nutzte. Hans-Joachim Burchardt erfreute an seiner Seite als gutmütig-kauziger Wesir, nur übertroffen von Else Hennig, die mit schrägem Humor einen seltsam intriganten Zauberer vorstellte. Die List einer Frau verhalf schließlich zur Erlösung vom Fluch der tierischen Gestalt: Henriette Fee Grützner, die auch mit schöner Gesangsstimme begeisterte, verkörperte die Kluge. Ute Menzel hielt die Rahmenhandlung zusammen. Sie spielte neben weiteren Rollen eine Mutter heutiger Tage, die zum Auftakt der Handlung ihren widerspenstigen Jungen zu Bett bringt. In dessen Fantasie spielte sich danach scheinbar das märchenhafte Geschehen als farbenfreudiger Traum einer Nacht ab.

Lutz Kirchner, Freie Presse, November 2011



Montag, 11. April 2011

PHÄNOMEN ROBUR




Tiere, vom Aussterben bedroht, kommen in den Zoo.
Kunstwerke, von seltener Schönheit und geschichtlicher Bedeutung, kommen ins Museum.
Erkrankungen, die bizarre Wucherungen und Färbungen hervorrufen, kommen auf den Seziertisch im Seminar.

Roburwerke, 1957 - 1991
Wir sprachen in der Oberlausitz mit den letzten Überlebenden des Industriezeitalters, Augenzeugen der Vollzeitbeschäftigung. 
Sie erinnerten sich für uns.

Karl Gustav Hiller, 1863 - 1913
deutscher Patentanmelder.
Erfinder der Maschine zur Herstellung von Fadenbällchen und des Phänomobils.
Werksgründer.
An ihn erinnerten sich seine Enkelinnen.

PHÄNOMEN ROBUR
Eine Erinnerung im Kollektiv.

Selbstverständlich wird ein Fahrzeug gebaut.

Eine Co-Produktion von Gerhart-Hauptmann-Theater Zittau und Hillersche Villa, e.V.

Premiere: 01. Mai 2011
Ort: Gerhart-Hauptmann-Theater, Zittau



Kritik
Phänomen Robur (SZ)
Arbeit ist ein trauriges Wort
Das Zittauer Theaterstück „Phänomen Robur“ nimmt den Begriff „Arbeit“ zum Glück nicht ganz ernst.

Wie eine Einladung in die Vergangenheit steht der blaue Robur-Bus vor den Stufen des Zittauer Theaters. Und das ist er auch. Zahlreiche Menschen, darunter viele, die früher im Robur-Werk gearbeitet haben, fühlen sich am Abend des 1. Mai eingeladen, die Ausstellung zum Projekt „Phänomen Robur“ und später die Premiere des gleichnamigen Theaterstücks zu besuchen.

Was im Foyer noch als informativer Weg durch die Geschichte des vor über 120 Jahren gegründeten Betriebes inszeniert ist, stellt sich auf der Bühne anders dar. Das Stück will nicht dokumentieren. Stattdessen beginnt eine abwechslungsreiche Collage aus Filmbildern, Szenen und der Musik einer Live-Band, die immer dann einsetzt, wenn zu viel Erzähltes ermüden könnte. Mit sanfter Ironie und dennoch Respekt vor den Biografien der Menschen, die sich mit ihrer Arbeit bei Robur identifiziert haben, bringen Regisseur Jan Baake und Dramaturg und Projektleiter René Schmidt das Thema „Arbeit in der Oberlausitz“ auf die Zittauer Bühne. Ohne je in die Ostalgiefalle zu geraten, setzen sie gekonnt dokumentarisches Material und Bühnenhandlung gegeneinander, geben Erinnerungen und Lebensläufen Raum, aber auch den Widersprüchen, mit denen Arbeit in der DDR verbunden war. Was Zeitzeugen erzählen, haben sie auf wenige Figuren und Typisches reduziert, sodass ihre Geschichten zugleich lokal verankert wie allgemein gültig sind.

Ganz schön zu kämpfen

Während auf der Leinwand schwarz-weiße Werbefilme von der hohen Produktivität und deren Steigerung berichten, erklärt David Thomas Pawlak als Ingenieur im weißen Kittel deren Unmöglichkeit. Die Zahl der Überstunden habe ein Höchstmaß erreicht, die Arbeitskraft der Kollegen könne nicht weiter strapaziert werden.

Christian Ruth erzählt aus der eher ungewöhnlichen Perspektive eines im Ausland eingesetzten Robur-Mitarbeiters, dass die DDR Fahrzeuge in Länder exportierte, die offiziell keine Freunde waren, auch für militärische Zwecke.


Und Sabine Krug spielt eine Frau in Arbeitskittel und Kopftuch, die einst als Dreherin begann, auch weil sie in der Heimat bleiben wollte. Bis zur Meisterin qualifizierte sie sich – der einzigen zwischen über hundert Männern. „Mich konnten sie nicht wegdiskutieren“, sagt sie. In ihrem Tonfall schwingt mit, dass gut ausgebildete Frauen in Männerberufen von den Kollegen eher geduldet waren und keineswegs hochwillkommen, wie öffentlich dargestellt. Die Frau mit dem Oberlausitzer Dialekt steht aber auch für die typische Haltung: „So schlecht ging es uns früher nicht, im Betrieb hatten wir Wahlessen, und reisen konnten wir in die Tschechei.“ Als sie am Ende den blauen Kittel auszieht, spricht sie für viele im Saal, die nach der Wende mehr als nur einen Job verloren: „Wenn Sie mit dem Betrieb groß geworden sind, da hamse ganz schön zu kämpfen.“

Die Trauer über das Ende von Robur 1991 ist aber nur eine Facette des Stückes. Der Ausblick ist ein hoffnungsvoller und der Umgang mit dem Begriff „Arbeit“ nicht allzu ernst. Die wichtigste Figur dafür ist der Typ in rosa Schlaghose und Trainingsjacke, später Unterhemd. Stefan Migge spielt ihn. Erst deutet er kurz auf die Hauptschwierigkeit eines Zeitzeugenprojekts, das ja „Phänomen Robur“ auch ist, blickt in seine Zettel und sagt: „Ja also, das war, wartense mal, im Jahr, achnee, da muss ich nachsehen, also na ja. Und nu machense was draus.“

Der Wert der Arbeitslosigkeit

Und später, als vier Leute vom Zittauer Arbeitslosentheater eine rostige Fahrradkette, Lkw-Räder, Schubkarre, Schornstein und Kurbel zu einem Robur-Vehikel aus 100 Jahren Werksgeschichte montieren, läuft Migge tatenlos, mit prüfendem Blick um die Szene und singt schließlich davon, wie Arbeit die Muße vertreibt, die Liebe stört und Leute killt: „Arbeit ist ein trauriges Wort, Arbeit ist Massenmord.“ Auch wenn er übertreibt: Am Tag der Arbeit den Wert der Arbeitslosigkeit zu besingen, kann sicher nicht schaden in einer davon geprägten Region.

Ines Eifler, Sächsische Zeitung
Dienstag, 03.05.2011



Montag, 6. Dezember 2010

Lolita

Der Mann und das Mädchen
Am Theater Zwickau hat "Lolita" frei nach Vladimir Nabokov Premiere - da wird ein knallhartes Drama subtil inszeniert.

Von VOLKER MÜLLER

Manchmal ist es nicht weit zum Abgrund. In dem Schauspiel, das Freitagabend in Zwickau auf der Bühne des Puppentheaters Premiere hatte, braucht es nur knapp zwei Stunden, bis ein smarter, locker über seine sexuellen Vorlieben plaudernder Feingeist zu einem menschlichem Wrack allererster Güte herabsinkt.
Dass die Schuldfrage weitgehend im Dunkeln bleibt, ist kein Versäumnis der Inszenierung, sondern hängt mit der Vorlage zusammen. Gezeigt wird "Lolita" nach dem Drehbuch des Russen Vladimir Nabokov, der 1955 auch einen gleichnamigen Roman schrieb.
Nabokov machte die erotische Ausstrahlung von Mädchen zum Thema, die gerade dem Kindesalter entwachsen sind. Und er beschreibt nicht weniger scharfsichtig die andere, männliche Seite der Medaille, die es gibt und die - wenn nicht zweifelsfrei als Krankheit anzusehen ist- doch ausgeprägt krankhafte, selbstzerstörerische Züge tragen kann. Gastregisseur Jan Baake inszeniert den Stoff am Theater Plauen- Zwickau ohne jede Effekthascherei.
Und er überschreitet auch nicht das, was man die Grenzen des guten Geschmacks nennt. Umso mehr Wert legt Baake auf die dramatische Entwicklung. Der Beginn in der Pension von Charlotte Haze, als der eine Unterkunft suchende Literaturwissenschaftler Humbert Humbert schon wieder von dannen ziehen will, als er in letzter Sekunde über deren zwölfjährige Tochter Lolita "stolpert" - das und die sich nun ergebende knisternde Dreier-Beziehung muten an wie süffisantes Boulevard-Theater. Doch danach wandelt sich das Geschehen allmählich zum knallharten Drama.

Kleines Kunststück

Das gibt den Zuschauern eine Reihe Fragen mit auf den Weg. Ist die 18-jährige Lolita, die als werdende Mutter Humbert Humbert noch einmal trifft, wirklich aus dieser Geschichte "raus"? Ist ihr Verführer und Peiniger, der ohne sie nicht existieren kann, nicht gleichzeitig auch ein bemitleidenswertes Opfer? Wie ist die Position des sich moralisch entrüstenden Umfelds zu bewerten?
Mit der tiefgründigen, redlichen Regiekonzeption gehen überragende Leistungen der Darsteller Hand in Hand. Angelina Häntsch stellt eine Lolita hin, die vor Kindlichkeit und Liebreiz sprüht, aber auch schon die ersten Anfänge weiblicher Berechnung erkennen lässt. Und immer bleibt bei ihr - auch später als Schwangere - ein Rest Rätsel, Zauber, Unheimliches, womit sie letztlich an Nabokovs legendäre Romanfigur heranreicht. Frank Siebers als Humbert Humbert gelingt das Kunststück, den Zerfall einer Persönlichkeit nahezu ausschließlich mit subtilen, weder Lautstärke noch Exzessives brauchenden schauspielerischen Mitteln zu gestalten.

Großer Beifall

Damit übertrifft er alles bisher in Plauen und Zwickau Gezeigte noch. In dieser Verfassung kann Siebers alles spielen. Und wie Ute Menzel die spießig-lüsterne Mutter Haze ins Szene setzt, das macht ihr so schnell auch niemand nach. Johannes Moss in wechselnden Rollen sowie Dieter Maas und Michael Schramm, die sich Humbert Humberts Gegenspieler Quilty "teilen", können sich gleichfalls sehen lassen.
Das sparsame Bühnenbild und die teils dezent, teils kräftig charakterisierenden Kostüme entwarf Franziska Weiske. Nach der Premiere gab es großen Beifall.

Freie Presse, 15.11. 2010
Service Nächste Vorstellung in Zwickau: am 30. Dezember, 20 Uhr. Karten unter 0375/274114647/48. Premiere in Plauen am 16. November, 20 Uhr. Karten unter: 03741/28134847/48.
www.theater-plauen-zwickau.de


Sonntag, 5. Dezember 2010

Der Sandkasten




Clash im Sandkasten
Vielfalt beim Sächsischen Theatertreffen in Chemnitz
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Freilich, bei einem Stück wie „Sandkasten" (Theater Plauen-Zwickau; Regie: Jan Baake) fühlen die sich besser aufgehoben. Geschlechter-Clash im Sandkasten. Er und Sie zwischen harmlosem Kinderspiel und pubertären Allmachtphantasien, Anziehen und Abstoßen, Gewalt und Zärtlichkeit. Alles spartanisch und effizient auf den Punkt inszeniert, auch wenn ab und an die allzu übliche Unart waltet, steigende Emotionen über steigende Lautstärke zu kommunizieren ... Entschädigt wird man aber reichhaltig- etwa, wenn nach einem Gerangel Er vorsichtig und sanft Ihren verletzten Fuß in die Hände nimmt. Ganz still, ganz zart wird es da. Und als auch noch Nick Caves „Sweetheart come" ertönt, möchte man glatt wehmütig aufschluchzen.
...
Steffen Georgi, LVZ, 20.04.2010





Samstag, 4. Dezember 2010

Flaschendrehen

Samstag, 9. Mai 2009
 (Sächsische Zeitung)

Bewegender Aufschrei im Scherbenmeer
Mit der Inszenierung „Flaschendrehen“ gibt Jan Baake am Theater Zittau den Schwachen eine Stimme. Anlass war ein Mordfall in der Stadt.
Von Jana Ulbrich

Lebensläufe im Staccato. Immer schneller prasseln die Worte auf die Zuschauer nieder: Mann, 51, alkoholabhängig, arbeitslos; Frau, 47, ein Selbstmordversuch, arbeitslos; junger Mann 21, arbeitslos; junge Frau, 20, ein Kind, arbeitslos.

Arbeitslos. Immer wieder arbeitslos. Dazu die Stimme eines Zittauer Notarztes aus dem Off: Crystal verursacht Nierenschäden, greift das Gehirn an. Die Stimme der Fallmanagerin der Hartz IV-Behörde: Manchmal können wir einfach nur noch verwahren und verwalten. Die Stimme des Polizeioberrats aus dem Zittauer Revier: Manche von denen, die kennt man ja schon...

Und immer weiter lesen die vier Schauspieler auf der Bühne aus Gesprächsprotokollen mit Menschen aus Zittau und Umgebung. Es sind sozial Schwache, Ausgegrenzte, Menschen „zweiter Klasse“, die im Zittauer Theaterfoyer eine Stimme bekommen. Es sind gebrochene Lebensläufe und gebrochene Leben, die sich da in schonungsloser Offenheit vor den Zuschauern auftun, so drastisch und direkt, dass es wehtut, so berührend ehrlich, dass man den Kloß im Hals kaum noch schlucken kann.

Töten für fünf Euro?

Mit der inszenierten Lesung „Flaschendrehen“ ist dem Zittauer Theater ein außergewöhnliches und zutiefst beeindruckendes Projekt gelungen. Auslöser für die zusätzlich in den Spielplan aufgenommene Inszenierung war ein aktuelles Ereignis, das Ende vorigen Jahres die ganze Stadt bewegte: An einem kalten Novemberabend hatte ein 15-Jähriger auf einem Spielplatz einen 48-jährigen Mann aus dem Alkoholikermilieu getötet – mit den Scherben eines abgebrochenen Flaschenhalses, angeblich wegen fünf Euro Schulden. Wie kann so etwas geschehen? Wie kann ein Mensch so weit kommen? Wie überhaupt kann man leben, wenn das Leben nur noch ein Scherbenhaufen ist?

Ohne auf den konkreten Anlass, der noch ein schwebendes Verfahren ist, einzugehen, ging Autor und Regisseur Jan Baake diesen Fragen nach. Er sprach mit Alkoholkranken und Drogenabhängigen, mit am Leben Gescheiterten und von der Gesellschaft Verachteten. Da ist der anerkannte Ingenieur aus den Roburwerken, der nach der Wende seine Arbeit und den Lebensinhalt verliert. Da ist der Jugendliche, der schon mit 14 nichts anderes vorhatte als Saufen und „auf die Fresse hauen“, da ist die Drogenabhängige, die ein Kind erwartet. Zu den dutzenden Gesprächsprotokollen kommen Videoaufnahmen in Schwarz-Weiß: Die Kamera lässt die Menschen nicht aus den Augen, fährt so nah ran, dass es beinahe schon schmerzt.

Dieses Zittau ist überall

Sie begleitet die Menschen in ihr Lebensumfeld, in Zittauer Straßen, in die Kneipe, in die Behindertenwerkstatt oder auf die Bank unter der großen Eiche mit weitem Blick in eine herrliche Landschaft.

Dieses Zittau ist überall. Weil es diese prekären Lebensumstände und Lebensbrüche überall gibt. „Flaschendrehen“ hat den vielen anonymen Schwachen, ohne sie vorzuführen, eine respektvolle Stimme gegeben. Eine anfangs noch schüchterne und unsichere, im Laufe der Gespräche aber immer fester werdende, den Umständen trotzende und stolze Stimme. Eine Stimme, die am Ende, wenn eine der jungen Protagonistinnen klar und schön das Oberlausitzlied singt, zu einem bewegenden Aufschrei wird.

„Flaschendrehen“ steht vorerst nur noch zweimal auf dem Zittauer Spielplan,
und zwar am 21. Mai und am 10. Juni, jeweils 20.30Uhr im Foyer.



Freitag, 3. Dezember 2010

Der Sohn

LVZ, 2. Mai 2006

Suchender Bubi
Studiobühne inszeniert Hasenclevers “Der Sohn”

Es ist diese zaghafte Berührung, die nicht in den klobigen Konflikt passen will. Die allseits besorgte Gouvernante (Kerstin Lange) zuckt zusammen, erschrickt vor der Wärme des Sohnes. Sein Vater senkt den Kopf, schaut nicht zu. Der Vater (hervorragend: Dietmar Voigt), ein adrett gekleideter Mann, der zu grauem Anzug Hut und Fliege trägt, ist dem Wilhelminismus verpflichtet, seinen Sohn (Rüdiger Hauffe) will er schuften sehen. Der aber hat die Examensprüfung vergeigt und nun soll er eine Frau lieben? Eine Schande, eine Schmach. Vater versus Sohn - das ist ein Konflikt, der spätestens seit Freuds Ödipus aufgegriffen und aufgeführt wird. Am Samstag hatte im Lofft Hasenclevers “Der Sohn” Premiere, eine Inszenierung von Studiobühne und Vorbeitreibende Opfer.
In dem expressionistischen Stück bleiben dem schwachen Sprössling nur Schweiß, Tränen und der Drang auszubrechen, sich auszutoben. Der Freund (eindrucksvoll: Marco Runge), ein langhaariger Hippie, verführt zur Rebellion: Der Sohn flieht aus der Wirklichkeit, wandelt sich vom Bubi zum selbstbewussten, freien Mann, der die Wirklichkeit bejaht. Er stürmt nach draußen, wo Madame ihn entjungfert und Frau zum Symbol der Selbstbestimmung wird.
Hasenclevers “Der Sohn” sorgte bei der Uraufführung 1916 in Prag für reichlich Furore, denn das Stück ruft die junge Generation zur radikalen Veränderung auf. Auch 90 Jahre später, wirkt das authentisch, vielleicht gerade weil nicht der Versuch gemacht wird, den Generationenkonflikt neu und modern aufzubereiten. Die Reclamheftchen, die der Sohn zum Trotz um sich schmeißt, sind alt und zerfleddert, nicht aber die Figuren und auch nicht die Emotionen, wenn der Sohn rebelliert und, zum Vatermord angestiftet, den Revolver zückt. Doch die Bewegung rattert, stoppt, will, aber darf nicht weiter, denn der Vater schaut nicht mehr zu, hält den Kopf bereits gesenkt. Das Drama endet tödlich, auch ohne den finalen Schuss. Klobig? Klotzig? Vielleicht kalt, aber aufgelöst.

Sonja Hartwig




Donnerstag, 2. Dezember 2010

Der Drache

Drache kehrt heim ins Kinderzimmer

ThaliaTheater spielt Jewgeni Schwarz' Kultstück "Der Drache" mal für die Jüngsten - Es funktioniert trotzdem

Von  DETLEF FÄRBER

Halle/MZ.
Eigentlich weiß man ja als Drache, wo man hingehört: Ins Kinderzimmer nämlich, in die Phantasie der Jüngsten und damit im Theater natürlich auch auf die Märchenbühne. Ganz anders war das einst in einem Märchenland namens DDR, wo erwachsene Menschen einander ununterbrochen Märchen erzählten, die nicht wenige für Realitäten hielten.
...
In den Jahren nach der Wende hatte der Drache im Theater logischerweise meist Pause. Und so ist das, was es gestern im halleschen Thalia Premiere hatte, so etwas wie die Heimkehr des Drachen ins Kinderzimmer. In einer gleichermaßen witzigen wie poetischen Stückfassung und Inszenierung (Jan Baake) konnten Axel Gärtner als opportunistischer Bürgermeister, Enrico Petters als charmanter Drache und Berndt Stichler als bürgerrechtsbewegter Drachentöter ihrem jeweiligen komödiantischen Affen kräftig Zucker geben.

Die Story - auf zwei Dreiecksgeschichten mit einer nur als Puppe präsenten Jungfrau verknappt - ist ein reizvolles Duell im Thalia:
Enrico Petters als"Drache" und Berndt Stichler als Drachentöter Lanzelot. Voller schöner Bilder für das an sich so Unschöne, nämlich die Unterjochung eines Gemeinwesens.
...
Interessant ist, wie der Drachentöter den Umsturz bewerkstelligt. Bevor er sein Schwert zückt, macht er sich per Tarnkappe vorsichtshalber unsichtbar. Das erinnert ans eingangs zitierte Märchenland. Auch da waren die Umstürzler fast immer unsichtbar. Und auch da war der Drache dann mal ganz plötzlich tot.



Mittwoch, 1. Dezember 2010