Mittwoch, 30. November 2011

KALIF STORCH

Märchen warnt vor der Gefahr des Lachens
"Kalif Storch" feiert in Plauen Premiere als Stück für den Advent





Das ist nicht nur im Leben so, auch im Märchen "Kalif Storch" von Wilhelm Hauff gilt: Wer an der falschen Stelle lacht, muss Kröten schlucken. Jan Baake hat das Kunstmärchen um einen jungen Kalifen von Bagdad jetzt für das Theater Plauen-Zwickau als fröhliches Spiel um Schein und Sein inszeniert. Eingeflossen ist eine Fassung des vogtländischen Theaterdichters Christian Martin. Die Premiere am Sonntag im Vogtland-Theater Plauen kam bei dem erfrischend jungem Publikum sehr gut an.




Mit Klamauk, schwungvoller Musik von Falk Zenker, Gesang sowie in morgenländischem Kolorit, für das Bühnenbildnerin Margret Weise gesorgt hatte, war ein kurzweiliges Schauspiel gelungen. Die jüngsten Zuschauer empfanden die Geschichte um den Kalifen, der sich per Zauberpulver in einen Storch verwandelt hatte, als ungemein fesselnd. Sie wollten gern helfen: "Mutabor, Mutabor", das erlösende Zauberwort - was im Lateinischen "ich werde verwandelt werden" bedeutet - tönte schon lange vorm Finale vom Parkett hoch zur Bühne. Jedoch vergeblich. Der Kalif hatte gelacht, das mächtige Wort vergessen und musste ein Storch bleiben, was Daniel Koch in der dankbaren Rolle mit Lust zu körperbetontem Spiel nutzte. Hans-Joachim Burchardt erfreute an seiner Seite als gutmütig-kauziger Wesir, nur übertroffen von Else Hennig, die mit schrägem Humor einen seltsam intriganten Zauberer vorstellte. Die List einer Frau verhalf schließlich zur Erlösung vom Fluch der tierischen Gestalt: Henriette Fee Grützner, die auch mit schöner Gesangsstimme begeisterte, verkörperte die Kluge. Ute Menzel hielt die Rahmenhandlung zusammen. Sie spielte neben weiteren Rollen eine Mutter heutiger Tage, die zum Auftakt der Handlung ihren widerspenstigen Jungen zu Bett bringt. In dessen Fantasie spielte sich danach scheinbar das märchenhafte Geschehen als farbenfreudiger Traum einer Nacht ab.

Lutz Kirchner, Freie Presse, November 2011



Montag, 11. April 2011

PHÄNOMEN ROBUR




Tiere, vom Aussterben bedroht, kommen in den Zoo.
Kunstwerke, von seltener Schönheit und geschichtlicher Bedeutung, kommen ins Museum.
Erkrankungen, die bizarre Wucherungen und Färbungen hervorrufen, kommen auf den Seziertisch im Seminar.

Roburwerke, 1957 - 1991
Wir sprachen in der Oberlausitz mit den letzten Überlebenden des Industriezeitalters, Augenzeugen der Vollzeitbeschäftigung. 
Sie erinnerten sich für uns.

Karl Gustav Hiller, 1863 - 1913
deutscher Patentanmelder.
Erfinder der Maschine zur Herstellung von Fadenbällchen und des Phänomobils.
Werksgründer.
An ihn erinnerten sich seine Enkelinnen.

PHÄNOMEN ROBUR
Eine Erinnerung im Kollektiv.

Selbstverständlich wird ein Fahrzeug gebaut.

Eine Co-Produktion von Gerhart-Hauptmann-Theater Zittau und Hillersche Villa, e.V.

Premiere: 01. Mai 2011
Ort: Gerhart-Hauptmann-Theater, Zittau



Kritik
Phänomen Robur (SZ)
Arbeit ist ein trauriges Wort
Das Zittauer Theaterstück „Phänomen Robur“ nimmt den Begriff „Arbeit“ zum Glück nicht ganz ernst.

Wie eine Einladung in die Vergangenheit steht der blaue Robur-Bus vor den Stufen des Zittauer Theaters. Und das ist er auch. Zahlreiche Menschen, darunter viele, die früher im Robur-Werk gearbeitet haben, fühlen sich am Abend des 1. Mai eingeladen, die Ausstellung zum Projekt „Phänomen Robur“ und später die Premiere des gleichnamigen Theaterstücks zu besuchen.

Was im Foyer noch als informativer Weg durch die Geschichte des vor über 120 Jahren gegründeten Betriebes inszeniert ist, stellt sich auf der Bühne anders dar. Das Stück will nicht dokumentieren. Stattdessen beginnt eine abwechslungsreiche Collage aus Filmbildern, Szenen und der Musik einer Live-Band, die immer dann einsetzt, wenn zu viel Erzähltes ermüden könnte. Mit sanfter Ironie und dennoch Respekt vor den Biografien der Menschen, die sich mit ihrer Arbeit bei Robur identifiziert haben, bringen Regisseur Jan Baake und Dramaturg und Projektleiter René Schmidt das Thema „Arbeit in der Oberlausitz“ auf die Zittauer Bühne. Ohne je in die Ostalgiefalle zu geraten, setzen sie gekonnt dokumentarisches Material und Bühnenhandlung gegeneinander, geben Erinnerungen und Lebensläufen Raum, aber auch den Widersprüchen, mit denen Arbeit in der DDR verbunden war. Was Zeitzeugen erzählen, haben sie auf wenige Figuren und Typisches reduziert, sodass ihre Geschichten zugleich lokal verankert wie allgemein gültig sind.

Ganz schön zu kämpfen

Während auf der Leinwand schwarz-weiße Werbefilme von der hohen Produktivität und deren Steigerung berichten, erklärt David Thomas Pawlak als Ingenieur im weißen Kittel deren Unmöglichkeit. Die Zahl der Überstunden habe ein Höchstmaß erreicht, die Arbeitskraft der Kollegen könne nicht weiter strapaziert werden.

Christian Ruth erzählt aus der eher ungewöhnlichen Perspektive eines im Ausland eingesetzten Robur-Mitarbeiters, dass die DDR Fahrzeuge in Länder exportierte, die offiziell keine Freunde waren, auch für militärische Zwecke.


Und Sabine Krug spielt eine Frau in Arbeitskittel und Kopftuch, die einst als Dreherin begann, auch weil sie in der Heimat bleiben wollte. Bis zur Meisterin qualifizierte sie sich – der einzigen zwischen über hundert Männern. „Mich konnten sie nicht wegdiskutieren“, sagt sie. In ihrem Tonfall schwingt mit, dass gut ausgebildete Frauen in Männerberufen von den Kollegen eher geduldet waren und keineswegs hochwillkommen, wie öffentlich dargestellt. Die Frau mit dem Oberlausitzer Dialekt steht aber auch für die typische Haltung: „So schlecht ging es uns früher nicht, im Betrieb hatten wir Wahlessen, und reisen konnten wir in die Tschechei.“ Als sie am Ende den blauen Kittel auszieht, spricht sie für viele im Saal, die nach der Wende mehr als nur einen Job verloren: „Wenn Sie mit dem Betrieb groß geworden sind, da hamse ganz schön zu kämpfen.“

Die Trauer über das Ende von Robur 1991 ist aber nur eine Facette des Stückes. Der Ausblick ist ein hoffnungsvoller und der Umgang mit dem Begriff „Arbeit“ nicht allzu ernst. Die wichtigste Figur dafür ist der Typ in rosa Schlaghose und Trainingsjacke, später Unterhemd. Stefan Migge spielt ihn. Erst deutet er kurz auf die Hauptschwierigkeit eines Zeitzeugenprojekts, das ja „Phänomen Robur“ auch ist, blickt in seine Zettel und sagt: „Ja also, das war, wartense mal, im Jahr, achnee, da muss ich nachsehen, also na ja. Und nu machense was draus.“

Der Wert der Arbeitslosigkeit

Und später, als vier Leute vom Zittauer Arbeitslosentheater eine rostige Fahrradkette, Lkw-Räder, Schubkarre, Schornstein und Kurbel zu einem Robur-Vehikel aus 100 Jahren Werksgeschichte montieren, läuft Migge tatenlos, mit prüfendem Blick um die Szene und singt schließlich davon, wie Arbeit die Muße vertreibt, die Liebe stört und Leute killt: „Arbeit ist ein trauriges Wort, Arbeit ist Massenmord.“ Auch wenn er übertreibt: Am Tag der Arbeit den Wert der Arbeitslosigkeit zu besingen, kann sicher nicht schaden in einer davon geprägten Region.

Ines Eifler, Sächsische Zeitung
Dienstag, 03.05.2011